Gasversorgungssicherheit in der Schweiz
Gasversorgungssicherheit in der Schweiz
Die Entwicklungen rund um den Krieg in der Ukraine spitzen sich zu. Das sind die neusten Entwicklungen:
‐ Russland hat angekündigt, dass es für Gaslieferungen an «unfreundliche Staaten» nur noch Zahlungen in Rubel akzeptieren wolle. Die Zentralbank und die russische Regierung hätten nun eine Woche Zeit, die Modalitäten für die Umstellung von Devisen- und auf Rubelzahlungen umzustellen. Die Lieferungen würden weiter in vollem Umfang gewährleistet. Die Forderung, die Erdgasimporte in Rubel zu bezahlen, lehnen die EU- Länder jedoch ab. Zur Frage, ob die Importe von russischem Erdgas gestoppt werden sollen, haben die EU-Staats- und Regierungschefs an ihrem Gipfeltreffen keinen Konsens gefunden.
‐ Die deutsche Energiewirtschaft hält Versorgungsunterbrechungen in Folge eines Lieferstopps von russischem Gas nicht mehr für unmöglich. Politik und Unternehmen müssten sich auf diese Situation vorbereiten, sagen Vertreter des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW und des Verbands kommunaler Unternehmen VKU. Sie gehen davon aus, dass Russland von sich aus entscheiden könnte, die Gaslieferungen einzustellen, um dem Westen zu schaden.
Der VSG hat eine erste Einschätzung der neusten Entwicklungen erstellt:
Die Versorgungssicherheit in der Schweiz mit Gas erscheint für die gegenwärtige Heizperiode weitgehend gesichert, und für die Industrie dürfte genügend Gas vorhanden sein, auch wenn sich die Preise auf einem ausserordentlich hohen Niveau befinden. Es stehen jedoch die beiden Szenarien im Raum, dass Russland seine Gaslieferungen eingestellt oder dass der Westen als Sanktionsmassnahme beschliesst, kein Gas mehr aus Russland zu importieren. Um auf solche Situationen vorbereitet zu sein, will der Bund unter der Leitung von Energieministerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin alle Arbeiten zur Versorgungssicherheit im Energiebereich noch enger begleiten und den Austausch aller wichtigen Akteure im Energiebereich intensivieren.
Gaslieferungen aus Russland müssen Kunden in Deutschland und anderen EU-Staaten neu in Rubel bezahlen, wie die russische Regierung am Mittwoch beschlossen hat. Es sollen also keine Zahlungen in Dollar oder Euro mehr akzeptiert werden. Offenbar ist dies eine Massnahme, den Rubel zu stärken, der aufgrund zahlreicher Boykottmassnahmen viel an Wert verloren hat. Dabei handelt es sich um einen eigentlichen Vertragsbruch, da die Preise in den Lieferverträgen in der Regel in Euro oder US-Dollar festgelegt sind. Möglicherweise stellt dies eine weitere Eskalationsstufe dar, indem all jene Länder auf der russischen Liste «unfreundlicher Staaten» gezwungen werden, die eigenen Sanktionsmassnahmen gegen die russische Zentralbank zu unterlaufen.
Nach einer ersten Einschätzung sollte die von Russland getroffene Massnahme für die Schweizer Gaswirtschaft, welche das Gas primär in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien beschafft, unmittelbar keine grossen Auswirkungen haben. Noch nicht abzuschätzen ist, wie sich dies auf die Grosshandelspreise auswirkt oder ob gar wirtschaftliche Gegenmassnahmen der betroffenen Länder folgen werden.
Ein Ausfall der russischen Gaslieferungen wäre in Europa nicht vollständig kompensierbar, jedenfalls nicht kurzfristig und ohne Verbrauchsreduktionen. Das betonte Andrej Pustisek, Professor für Energiewirtschaft in Stuttgart, nachdem er an der Gastagung in St. Gallen vom 18. März verschiedene Szenarien und Lieferausfallskompensationsmöglichkeiten präsentiert hatte. Immerhin hielt Pustisek fest, dass die Schweiz in diesem Szenario, «in dem alle Seiten verlieren würden», einen wichtigen Vorteil hätte. «Sie kann auch noch Gas aus dem Süden beziehen», sagte er. Pustisek verwies dabei darauf, dass Italien momentan über viel mehr Importkapazitäten verfüge, als dort derzeit nachgefragt werde. So seien etwa die dortigen LNG- Terminals nicht vollständig ausgelastet.
Falls in der Schweiz aufgrund von Lieferstopps aus Russland oder einem Gasembargo gegen Russland unerwartet eine Mangellage eintreten sollte, welche von der Gasbranche nicht mehr behoben werden kann, trifft die wirtschaftliche Landesversorgung notwendige Bewirtschaftungsmassnahmen. Diese beinhalten die Umschaltung von Verbrauchern mit Zweistoff-Anlagen, Sparappelle und die Kontingentierung von Erdgas-Grossverbrauchern mit Einstoff-Anlagen.
Um die Gasversorgung für den kommenden Winter zu sichern, werden vonseiten des Bundes und der Branche grosse Anstrengungen unternommen. So traf sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga diese Woche unter anderem mit dem niederländischen Klima- und Energieminister. Sowohl die Schweiz als auch die Niederlande sind daran, die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken und die Energieversorgung für den nächsten Winter zu sichern. Im Weiteren traf diese Woche Bundesrat Ueli Maurer in Doha den katarischen Energieminister. Thema waren unter anderem allfällige Lieferungen von Flüssiggas. Vertreter der schweizerischen Gaswirtschaft haben die Bundesräte entsprechend auch auf ihren Reisen begleitet. Bereits Anfang März hatte der Bundesrat Massnahmen zur Gasversorgungssicherheit beschlossen. Gasunternehmen sollen demnach rasch gemeinsam Gas, Gasspeicherkapazitäten, Flüssiggas (LNG) und LNG-Terminalkapazitäten beschaffen können, ohne kartellrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Vorgesehen ist, dass die Gasbranche in den kommenden Wochen zusammen mit den zuständigen Departementen und Behörden dem Bundesrat einen Lösungsvorschlag vorlegt. Hier liegt der Lead für die Koordination der Arbeiten beim VSG.
VSG/25.03.2022